menu

UND.ENDLICH von GAEG im Val Surses, Fuorclas dagl Leget – Tagebuch

13. bis 18. August 2021

Frei 13. August

Anreise mit viel Gepäck (Rucksack, Rollwagen, Handtasche mit Kochtopf, Gaskochern, Essen, Kleider, Toilettensachen, Wanderschuhe, Regenjacke, Sonnencrème, Regenhut, etc. . Zuerst von 8 bis 12 Uhr nach Zürich. In Bus an den Zeltweg mit all dem Zeug. Im Treppenhaus lagern. Dann dort Treffen mit Rosanna Monteleone, eine tolle junge Künstlerin aus Basel. 

15 Uhr Fahrt ins Heuried-Bad. Dort Treffen mit Andreas Fischbacher und seinem Sohn Arnold. Weiterfahrt in Citroën mit den beiden. Hinauf ins Bündnerland. Wir wollen am Marmorera-See was trinken gehen. Doch die Kneipe hat leider schon zu; und der Arnold ist eingeschlafen. Wir gehen nach Bivio einkaufen und trinken dann etwas am Ospizio La Veduta.

Einräumen im Zimmer 103. Dann Nachtessen. Die Künstler sind schon da. Der Münchner Fotograf Henning Köpke mit seiner Familie Nicole, den Kindern Valentin und Laurenz sind auch mitgekommen. Anto aus Baulmes ist angereist. Die Regisseurin Sabine aus Holzkirchen und ihr Freund Frank kommen um 00.30. Sie schlafen im Zimmer No. 115. Ein schönes Hospitz. Mit bezogenen Bettdecken und Kissen. Tolle Duschen. Ich esse Röschti mit Käse. Schön Schweizerisch.

Sa 14. August Der Karawanentag. 

Ab 8 Uhr sind wir auf. Frühstücken. Um 9 Uhr kommen schon die Pferde. Sie fahren runter an den Fluss, wo wir den Auflad vorbereiten. Die Traingesellschaft Zentral- und Ostschweiz stellt 3 Pferde und 10 Personen, darunter 2 Militärs. Es kommen 10 HelferInnen, die im SAC Heft ‘Die Alpen’ den Aufruf gelesen haben, darunter eine Familie aus dem Glarnerland. Freunde aus Bayern sind auch da, darunter Sabine mit ihrem Sohn Kaspar. Der Chef von Pfeiffer aus Memmingen ist da. Per Zufall wird er dazu verknurrt, seine eigenen Werkzeuge zu tragen…

Insgesamt ca. 40 Menschen besammeln sich am Fluss. Die Lasten werden verteilt. Wir erleben eine erste unangenehme Überraschung. Die grossen Teile der Uhr – Gehäuse, Innenteil, Ziffernblatt, Deckblatt – können nicht auf die Pferde geladen werden. Die Teile sind zu gross und bringen zu viel Instabilität beim Transport. Das verunsichert ein Pferd, und es hat dann die Tendenz, zu stark zu reagieren. Der Entschluss ist hart: wir müssen all diese Teile von Hand hinauf tragen. Es bilden sich 4 verschiedene 4er Teams aus den anwesenden Personen, welche die 4 grossen Teile – Durchmesser ca. 2 Meter – hinauftragen. Die Pferde kriegen alle Batterien und die Methanolkanister, sowie einige Rücksäcke. Eines trägt die Leiter. Anto erklärt: Es darf nichts am Kopf des Pferdes anstossen, sonst flippt es aus. 

Der Transport startet um 11h20. Wir nehmen die Route dem Fluss entlang, steil den Wasserfall hinauf. Die Karawane bewegt sich erst noch im flotten Tempo, aber beim Wasserfall ist der erste Härtetest: das steilste Stück. Die Pferde ziehen gut voran, doch die Menschen, die zu Säumern werden, haben Schwierigkeiten, auf dem engen steilen Werk ein Teil von zwei Meter Durchmesser zu viert zu tragen. Wir haben Zeit, sagen wir uns. Die Zeit läuft. Im buchstäblichen Sinn des Wortes: sie geht zu Fuss. 

Nach zweieinhalb Stunden sind die Pferde oben auf dem Fuorclas dagl Leget. Sie laden die Lasten ab. Ich bin nach drei Stunden oben und koche die erste Polenta für die Pferdeführer. Die Pferde kriegen Karotten. Die Pferde gehen nochmals nach unten zur Wegverzweigung, um neue Lasten aufzunehmen. Vor allem Rücksäcke.

Nach vier Stunden sind alle auf dem Pass Fuorclas dagl Leget. Applaus und viele Umarmungen. Alle sind glücklich. Das Wetter ist toll! Sonne und blauer Himmel. Es wird viel geredet und viel erzählt. Alle Teile der Uhr werden auf den Grat vor dem Felsentor getragen und ausgelegt. Das Zelt und die Lebensmittel kommen ein bisschen unterhalb eine Wind geschützte Kuhle. Ich koche die zweite Ladung Polenta. Sie wird wieder ratzeputz weggegessen. Sabine filmt alles. Jana, die Freundin von Wolfgang, hat eine unendliche Energie. Sie hat am Deckglas mitgetragen. Nun ist sie wieder am Tragen von Gerät und Material. Auch Tobel ist so ein unermüdliches Kraftpack. Er ist Steinbildhauer und hat Energie für drei. Und Tom! Tom ist der Beste! Beim Platz, wo das Zelt hinkommt, wird gegen 17 Uhr noch einmal gemeinsam gegessen. Dann steigen wir ab. Der Rucksack ist leer. Wir fliegen beinahe. Am Abend im Ospizio La Veduta wird voller Freude erzählt. Alle wollen duschen. 

Wir belegen im Ospizio einen grossen Tisch mit 12 Personen: die Familie des Fotografen Henning Köpke (mit Nicole, Laurenz, Valentin), Tom und Anto, Andreas und Arnold (sein Sohn), zwei Freiwillige, Bettina und ich. Ich esse Capuns, eine Bündner Spezialität mit viel Käse. Miam. Bettina und ich haben nun das Zimmer 115 bezogen. Todmüde fallen wir ins Bett.

So 15. August

Ich lade die Batterien von Sabine auf und lege sie in den Rucksack. Ich steige mit Anto hinauf nach Fuorclas digl Leget. Es ist fast nichts mehr im Rucksack. Der Aufstieg geht viel leichter. Anto und ich kommen an drei Kuhherden vorbei, die hier sömmern. Simmentaler, Freiburger, hellbraune Brown Swiss. Die Kühe sind zum Teil sehr mager. Anto erklärt: das seien eher Fleischkühe als Milchküche.

13 Uhr: Wir sind nach zwei Stunden oben. Das Zelt ist aufgebaut. Ein tolles grünes Zelt. Es war jedoch kalt und feucht, erzählt Sabine. Ich gebe ihr die geladenen Batterien und nehme zwei neue zum Laden mit. Ich steige um 16 Uhr wieder ab. Anto will noch ein bisschen oben bleiben. Er liebt die Atmosphäre zwischen Natur und Technik. Ich bin um 17h30 fast zurück. Auf dem oberen Weg vom Wasserfall treffe ich einen ehemaligen Senn, der als Kind Hirte im Val d’Agnell war. Er spricht italienisch. Er will hinauf zu den Kühen. Weiter hinauf ginge es nicht mehr, sagt er. Seine Knie tun weh. Er hat graue wilde Haare, die von einem sonnengebleichten Käppi etwas gebändigt werden. Und stahlblaue Augen. 

Mo 16. August.

Anto geht schon früh hinauf. Er nimmt die geladenen Batterien mit. Ich mache frei; wir planen einen Ausflug ins Engadin. Tom kommt von Chur herauf. Wir trinken einen Kaffee zusammen, dann zieht er auch los. Er war ehemaliger Funkspezialist und Bergläufer; er ist schnell und handsom, wie die Engländer sagen würden. Bettina und ich  frühstücken gemütlich und beschliessen dann, nach Sils zu fahren an den See. Es ist ein wunderschöner Tag. Wir wollen nach einer ungewollten Schlaufe ins Fextal einen Kaffee im Hotel Waldhaus trinken. Wir dürfen unser Auto bei der Einfahrt abstellen, da ich dieses Jahr schon Gast im Hotel war. Kaum in der Halle angekommen, sehe ich ein Schild, das eine Lesung von Zoras Roman ‘Die Marschallin’ angkündigt. Toll, denke ich. Drei Sekunden später öffnet sich die Lifttüre und eine rothaarige Frau mit zwei Hunden steigt aus. Zora. Wir erkennen uns trotz Masken. Du bist doch Sibylle! Ja, und Du Zora! Grosses Hallo. Das ist das Waldhaus in Sils. Man trifft immer jemanden… Zora muss schnell mit den Hunden raus. Wir verabreden uns in der grossen Halle. Ich zeige Bettina das Erdgeschoss des Hotels, die Bar, den Lesesaal, den blauen Salon. Zora stösst nach einer Viertelstunde zu uns. Sie ist wieder nach Zürich gezogen wegen ihrer Mutter. Sie wohnt im Seefeld. Wir verabschieden uns und verabreden ein Treffen in Zürich.

Bettina und ich gehen noch ein bisschen spazieren. An den See und nach Chasté. Wir treffen noch weitere Leute, die Bettina kennt. Die Welt ist klein! Sabeth Honigmann und ihren Mann Hannes, den Architekten. Sabeth hat mit Bettina im Marschall-Theater in München zusammengearbeitet. Sabeth und ich haben den Leiter des Gessnerallee-Theaters gekannt, der sich leider vor Jahren das Leben genommen. 

Am Abend sind wir wieder oben im Ospizio. Ich esse Fisch. Ist sehr gut. Der Koch soll ein Kärntner sein, einer der Wirte ist Vorarlberger aus Hörbranz. Anto ist auch wieder da und ganz happy.

Beim Abendessen schreit plötzlich eine der Gäste am Nebentisch. Eine Schlange. Der Kellner kommt mit einem Besen und wischt die Schlange hinaus. Anto ist auch gleich zur Stelle. Eine Kreuzotter sagt er, die ist giftig. Auf dem Platz vor dem Haus drückt er den Kopf der Schlage mit einem Stock auf den Boden. Die Schlange beisst nach dem Stock. Man sieht ihre Zähne. Ja, es ist eine Kreuzotter. Anto und der Kellner werfen die Schlange auf die Passstrasse. Das wird wohl ihr Ende sein. Irgendein Auto wird sie überfahren. Wir gehen wieder rein an unseren Tisch. Nach einer Minute sind wir wieder draussen. Die Schlange lebt noch. Bettina und ich halten den Verkehr in beide Fahrtrichtungen hin auf, Anto wischt die Schlange mit dem Besen auf die andere Seite der Strasse. Die Otter ist gerettet. Wir sind froh, dass sie noch lebt. Laurenz, der viel über Tiere weiss, erzählt von Ottern, Nattern und Vipern. Es wird ein gemütlicher Abend. Um 22 Uhr offeriert uns der Wirt noch einen Schlummertrunk, eine Art Kräuterschnaps mit Eis. Wir schlafen sehr gut.

Di 17. August

Anto geht früh nochmals hinauf. Wir verabschieden uns. Es war schön, dass er da war. Wir verabreden, uns im Baulmes zu treffen, wenn Annicka aus Finnland zurück ist. Tom kommt von Chur her. Er geht auch schon um 10 Uhr rauf. Bettina und ich marschieren um 11 Uhr los mit der Familie des Fotografen. Henning hat uns schon die Fotos gegeben für die Presse. Wir sind nun alle schon eine richtig gut zusammengeschweisste Truppe. Sonia von La Veduta ist auch sehr nett. Wir können heisses Wasser in die Thermoskannen einfüllen und die Reste vom Fleisch von unserem Frühstück zu Sandwiches verarbeiten, die wir oben servieren und die auf grossen Anklang stossen. 

Wir schauen den Pfeifer-Mitarbeitern beim Montieren im Felsentor zu. Sie klettern auf dem Felsen herum. Tom steigt die Leiter rauf und runter. Es ist schon abenteuerlich, wie die das einrichten. Georg ist am Einstellen der Uhr. Wir testen sie dann. Sie funktioniert. 

Letzte Elemente der Pressekonferenz werden besprochen. Bettina und ich gehen um 15 Uhr wieder runter um noch Mails zu verschicken. 

Am Abend Abschied von Georges und Sabine, die nach dem Abendessen nach München zurückfahren. Zwei tolle Menschen. Sabine wohnt auch in Holzkirchen wie Thomas. Ich werde sie sicher mal dort besuchen.

Mi 18. August … Pressetag

Um 10 Uhr kommt schon Frau Bernet von der Fundaziun di Media Rumantscha FMR. Sie macht ein Interview mit uns. Um hab 11 Uhr ist das RTR Fernsehen vor Ort. Frau Bonifazi mit ihrem Kameramann. Sie fragen nach den Videos. Die hat der Thomas, oben auf dem Pass. Er hat sie noch bis morgens um 3 Uhr geschnitten. Die Presseleute wollen schon bald los. Es kommen auch Sabine mit Kaspar aus München und Fini Lindemann von der einer Münchner Stiftung, die GAEG unterstützt, und ihr Hund. Die Familie des Fotografen wandert auch mit. So sind um 11 Uhr alle bereit. Wir wandern um 11h15 los. Ich erkläre der Presse den Weg, die dann voraus zieht. 

November 2020

Die zweite Welle ist da! Die Staaten und politischen Regionen machen wieder Vorschriften, die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt, der enge private Kreis wird als zentrales Gebiet des Schutzes und der Erholung vor Covid19 festgezurrt. Die Museen, die Theater, die Musiksäle, die Kinos, die Clubs, die Kunsträume sind davon betroffen, aber auch Veranstaltungen im öffentlichen wie im privaten Raum.

Im Leitungskomitee vom BONE Festival für Performance in Bern (23. Bis 29. November 2020), wo ich mitwirke, werden solche Regeln mitbedacht, um sich für künstlerische Handlungen im öffentlichen Raum zu treffen. Unser Motto: Alles ist schon da. Wir performen damit, sich auf dem Markt, auf Plätzen und Strassen über Inhalte auszutauschen, zu spazieren, sich am Feuer zu wärmen und ein bisschen zu konspirieren. Ich werde versuchen, mit Menschen im öffentlichen Raum, die ich zufällig treffe, über Lebensgeschichte(n) nachzudenken.

Ende Oktober 2020

Am 22. Oktober wird die Ausstellung CHETORI im Le Manoir vor dem geplanten Ende geschlossen. Die Künstler*innen aus dem Iran konnten nicht in die Schweiz reisen. Der Kanton Wallis hat die Schliessung aller Museen, Theater, Kulturräume angeordnet. Wir hatten Schutzkonzepte für Besucher*innen in Kleingruppen bis zu 15 Personen entwickelt. In den Papierkorb damit, wie auch die Hoffnung, dass Kulturvermittlung in diesen Zeiten für viele lebensnotwendig ist. 

Alle sind gefordert: Kulturproduzenten, Kulturbenutzer*Innen. Den Begriff des Kulturkonsumenten – in der kulturpolitischen Diskussion ein wichtiger Begriff für Erfolg und Akzeptanz – ist in Frage gestellt. Die Kleinheit, die Gruppe als Produktionseinheit, ist aber vor dem Hintergrund von Covid19 die beste Massnahme: kein Drängeln, keine Leerheitsgefühle… Das Kleine hat seinen Platz auch in der Community, auch in dem gesellschaftlichen Grossen.

*

Mitte August

Lange Zeit hat man keine Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel mehr gesehen. Nun sind ab und zu zwischen den Wolken die Streifen wieder zu sehen. Sommerzeit, Reisezeit, auch angesichts der Pandemie. Auch mich zieht es wieder hinaus, diesmal nach Österreich. Ins Tirol. In Ischgl war einer der Hotspots der Corona-Pandemie. In diesem Ferienort sind offenbar sehr viele Menschen angesteckt worden und haben nach Winterferienende die Krankheit in ihre Länder zurückgebracht. Der österreichische Fotograf Lois Hechenblaikner hat Ischgl seit 2010 jährlich in Streifzügen mit der Kamera erkundet. Die Fotos zeigen uns, wie wir auch sein können. Grausam.

Im März bis Mai war das Tirol komplett unter Quarantäne. Trotzdem haben der Wiener Künstler Christian Stock und ich eine Sommerausstellung geplant für das Turner Tal, wo er herkommt. Er ist in Vorderlanersbach aufgewachsen, sein Vater war Holzbildhauer. Er hat den Laden mit Atelier seines Vaters geerbt. Im Sommer ist der Ort Galerieraum, im Winter befindet sich darin ein Skiverleih. Jedes Jahr macht Christian Stock eine Ausstellung; diesen Sommer hat er mich eingeladen, Aquarelle aus der Schweiz zu zeigen. Ich nehme Arbeiten mit, die in 30 Jahren Arbeit im Kunstbetrieb zusammengekommen sind: Ankäufe, Geschenke von KünstlerInnen, Tausch gegen Texte. Christian Stock steuert neue Aquarelle bei, die in seiner Sommer-Residency in Gmund in Kärnten entstanden sind. Seine Malerei auf Papier ist leuchtend, kräftig in den Farben, aber auch fragil. Die Wasserfarbe kann feine Linien ziehen, sie kann stocken, verdicken. Malerei mit Pigmenten und Wasser auf Papier erlaubt viele Experimente und Versuche. Das Fliessen der Farbe ist der Kern der Malerei. Sei es in einer Baumwollflocke oder an einer Kante in einem Rechteck.

*

Zur Zeit macht es mir Freude, in einem sehr kleinen Dorf zu wohnen. Die Gänge durch das Dorf sind kurz. Vom Vieux Village an die Rue du Grenier Brulé, Rue Sainte-Antoine bis Rue de Fontane. Die Namen der Strassen erzählen aus der Geschichte des kleinen Ortes. Die Kernzelle der Gemeinschaftlichkeit ist der Laden und die Dorfbeiz. In unserem 550 Seelen-Dorf ist das kleine Café des Sapins das Zentrum von Austausch und Gemütlichkeit geworden. Mit tollen Wirtsleuten. Es gibt lokale Weine und Essen, und ein wunderbar schmeckendes senegalesisches Menu mit Gemüse, Reis und Erdnussauce! 

Mitte Juli 2020

Wie geht man mit sozialer Distanz im Kunstbetrieb angesichts der Pandemie um?

Die Ausstellungshäuser und Kunsträume öffnen wieder und versuchen, neue Wege zu begehen. Der Aussenraum gewinnt an Bedeutung. Offspaces konzipieren Ausstellungen und Begegnungen in Gärten und hängen Malerei in die Obstbäume und Gemüsegarten, so wie Ende Juni bei der von der Künstlerin Karoline Schreiber und Verlegerin Mirjam Fischer in Zürich konzipierten Gartenshow. Die Führungen sind in kleinen Gruppen und werden oft mehrmals wiederholt am gleichen Abend. Bei den KünstlerInnengesprächen – meist ohne Masken – sitzt das Publikum in grossen Abständen im Raum. 

Und ich bin mit dem Team vom Le Manoir beim Aufbau der Ausstellung CHETORI mit zeitgenössischer Kunst aus dem Iran in der Walliser Stadt Martigny. www.manoir-martigny.ch. Die Eröffnung wird bei schönem Wetter im Garten der alten Villa stattfinden. Im Innern des Manoir besteht eine maximale Gruppengrösse von 25 Personen. 

In Teheran ist rote Zone: Maskenpflicht, Transporte in öffentlichen Verkehrsmitteln sind eingeschränkt. Angesichts von Covid19 – Iran ist eines der stark betroffenen Länder – gab es langandauernde Lock downs und keine Flüge zwischen Iran und Europa. Wir hoffen, dass die Kunstschaffenden im November noch in unser Land einreisen können.

Fariba Farghadani, The Blue House, 2015

Mitte Juni 2020

Die Grenzen zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz gehen wieder auf. Ich bin Anfang Juni nach Berlin gereist. Mit Maske im Gesicht und Arbeitsbestätigung. Der ICE war nur halb voll und pünktlich! In Berlin habe ich in einem der tollsten Neubauten gewohnt: das LOBE-Terrassenhaus (https://www.lobe.berlin) von Arno Brandlhuber (www.brandlhuber.com), realisiert vom Münchner Architekturbüro Muck Petzet (http://www.muck-petzet.com) im Quartier Gesundbrunnen.

LOBE Brandlhuber.com. Foto: www.anneliwest.de

Das mehrstöckige Haus ist über gestufte Terrassen zu besteigen und ist auf der Seite zur Strasse hin ebenfalls terrassiert, vorkragend über dem Vorplatz des hauseigenen. Der Innenausbau der Ateliers ist meist in rohem Beton gehalten. Der Künstler Hannes Brunner (www.hannesbrunner.com), bei dem ich Gast war – herzlichen Dank Hannes ! – hat noch zwei Wände aus Schichtholz eingebaut und auf seinem Terrassenabschnitt am Boden eine Installation mit Spiegeln und Grünpflanzen gebaut. Ich habe es sehr genossen, durch das halbleere Berlin zu stromern. In den KW ist mir Hassan Sharif (1951-2016, Dubai) in seinen eindringlichen Installationen aus Abfall und Alltagsmaterial begegnet (https://www.kw-berlin.de/hassan-sharif/).

Mit der Tram bin ich in die Galerie Parterre an der Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Pankow gefahren und habe dort einen geköhlerten Baum von Ulrike Mohr (https://ulrikemohr.de) entdeckt. Die Künstlerin, aufgewachsen im Schwarzwald, köhlert für ihre Kunstwerke, Bäume, Sträucher, aber auch Alltagsmaterial aus Holz wie Messlineale, Kochlöffel, Holzschmuck. Das Köhlern ist ein alte menschliche Kulturtechnik für das Schmieden von Eisen und Edelmetallen sowie die Glasherstellung. Der thermochemische Prozess im Holz, der unter Abwesenheit von Sauerstoff bei Temperaturen von circa 300° Celsius von statten geht, ist keine Verbrennung, sondern ein chemischer Prozess, aus dem neben 30 % Holzkohle Teer und flüchtige Pryrolyseprodukte entstehen. Das Schwarz des Kunstwerks schillert in verschiedenen Farben, von Tiefschwarz über Dunkelgrau, Violet, Grün, Blau bis zu Ocker und Hellgrau. Es muss faszinierend sein, der Künstlerin beim Erarbeiten – Köhlern ! – ihrer Werke für Ausstellungen zuzuschauen!

Ulrike Mohr,  Installation Time in a Tree 2020, Foto GR Berlin © Ulrike Mohr VB Bildkunst

In der Schweiz beginnt das Kunstleben wieder. Schreiben, Führungen, Gespräche mit Kunstschaffenden stehen auf dem Alltagsplan.Und bald eine Wanderung am Stadtbach Bern entlang.

*

Mitte Mai 2020

Das Home office lockert sich. Kürzlich hatte ich zum ersten Mal wieder einen kleinen Ausflug gemacht und bin in die Kartause Ittingen nach Warth TG gereist. Die Künstlerkartause hatte einen Gast, den Walliser Künstler Vincent Fournier. Er lebte den Covid19-lock down in seinem kleinen Häuschen, malte und hat ein Kunstwerk in den angrenzenden Weinberg installiert. Die Himmelseiter ins Paradies. Die bestehende Treppe durch den Rebberg hinauf besteht aus 185 Stufen, die alle vom Künstler mit einem blauen Brettchen verkleidet wurden. So zieht sich ein hellblaues Band durch das Grün der Reben und verbindet sich am oberen Ende der Treppe mit dem Blau des Himmels. Der Lauf der 185 blauen Stufen wird von Figuren und Sprüchen aus der Bibel oder aus spirituellen Schriften gesäumt. Oben angekommen, schweift der Blick über das Tal der Thur. 

Die Installation Die Himmelseiter ins Paradiesvon Vincent Fournier ist noch bis Ende 2020 zu sehen. 

*

Die von Richard Tisserand und mir kuratierten Ausstellungen Catalogue d’oiseau von Elisabeth Strässle und Snow Management von Melanie Manchot im Kunstraum Kreuzlingen gehen am 15. bis 17. Mai 2020 noch einmal für drei Tage auf!

Vincent Fournier: Himmelsleiter zum Paradies,
Kartause Ittingen, Rebberg, bis Ende 2020. Foto Sibylle Omlin

Mitte April 2020

Vor einem Monat bin ich von der Riederalp heruntergekommen, weil der Bundesrat den Lockdown angekündigt hatte. Wir waren nochmals im Schnee; die Skilifte und die Beizen gingen von einer Stunde auf die andere zu. Dann ab ins Home office. Nun, der Bundesrat hat diese Woche erste Lockerungen für den COVID19-Lockdown angekündigt. Das Zuhausebleiben erhält so vielleicht bald wieder ein wenig Abwechslungen. Doch die Langsamkeit hat etwas Schönes. 

Nach wie vor kann ich jeden Tag einen kurzen Spaziergang machen und mit dem Nachbar und seinem Hund – 2 Meter Abstand! –  spazieren gehen. Ich kann mich in meinem Minigarten mit Samen und Töpfen austoben und den Steckbohnen beim Wachsen zuschauen. Sogar die Rebe zeigt schon erste Blätter. So bin ich in diesem Monat Gärtnerin und auch Köchin geworden. Ich fotografiere meinen Salat, weil die Zutaten so schön aussehen, und lerne wieder einmal, neue Dinge im Backrohr zu backen.

Kürzlich war ich virtuell in Nyon am Festival Vision du Réel und habe mir den Film über Jan Jedlicka, Spuren einer Landschaft/Traces of a Landscape, von Petr Zaruda gesehen. Das war eine gute Stunde mit langsamen Bildern und einer schönen Erzählung von Jan auf Tschechisch. Jans neues Fotobuch 200 m im Steidl ist eine schöne Sehbegegnung mit einem Stück Landschaft in Italien.